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Sarah Wiener, ... warum tun Sie sich diese Blamage an?

Ach Mensch, schade ist‘s. Frau Wiener, Sie waren mir zwar nie sympathisch, aber sie wirkten wenigstens stets vernünftig und standen für eine gute Linie. Sie waren immer eine der Personen, bei der man sich fragt, warum diese nicht vegan leben. Schließlich wissen Sie um die Produktionsbedingungen und sind naturverbunden. Sie möchten nicht, dass Tiere leiden und stehen für eine bewusste Esskultur.

Nun verfassten Sie einen Beitrag für die Zeitschrift „enorm“, mit dem Sie einen „Denkanstoß“ geben wollten.

Grob zusammengefasst plädieren Sie, wie immer, dafür, saisonal und regional zu kaufen und zu kochen. Das ist nicht neu, das sagen sie immer und haben natürlich recht.

Neu ist, dass Sie, Sarah Wiener zu bedenken geben, dass der Veganismus per se keine Verbesserung bringt. Vegane Lebensmittel sind hoch verarbeitete Industriepanschereien die ebenfalls Monokulturen fördern. Es gipfelt in dem Satz: »Sojamilch ist in etwa so künstlich wie Cola«.

Frau Wiener, was soll das? – Wollten Sie polemisch werden um die Auflage und Aufmerksamkeit zu erhöhen? – Glauben Sie das wirklich? – Haben Sie ein Buch von Udo Pollmer gelesen und glauben den Schmarrn?

Sie schreiben zuerst noch, dass nichts schlimmer ist, als die Fleischproduktion und empfehlen am Ende des Textes dann, auch gern mal ein Stück Fleisch zu essen. – Natürlich meinten Sie zu beginn des Textes konventionelles, am Ende Bio-Fleisch. Aber glauben Sie, die Leser filtern das so genau heraus und werden sich der Problematik bewusst? Glauben Sie, die schwarz-weiß-Seher sind besser beraten, wenn man ihnen etwas graues zeigt?

Ihr Text ist vor allem missverständlich und konfus, deshalb möchte ich da etwas Klarheit hineinbringen und aufzeigen, was an dem Text so gefährlich ist.

Sie nehmen richtig zur Kenntnis, dass Fleisch- und Käseersatzprodukte boomen und empfinden das als bedenklich. Sie finden, dass die Menschen lieber ein Stück Bio-Fleisch essen sollten, als chemisches, veganes Essen. Das ist das, was Sie meinten, aber Sie bringen es nicht logisch auf den Punkt. Das Resultat ist, dass sie nun auf allen möglichen Plattformen mit einem Satz wie: »Sarah Wiener hält vegane Nahrung für so mies wie Cola« aus dem Zusammenhang gerissen zitiert werden. Theoretisch kann einem Neuling so etwas passieren – das Medien so sind, muss jeder Mensch erst lernen. Aber Frau Wiener, Sie sind doch ein Profi, Sie haben das doch bewusst provoziert.

Ihr Grundansatz ist okay, doch vergessen Sie dabei leider ein paar wichtige Fakten und widersprechen sich selbst.

Sie glauben z.B. nicht, dass die meisten Veganer in erster Linie Genießer sind, die gern kochen, genussvoll essen, sich ethische Gedanken machen und danach handeln. Denn Sie unterstellen indirekt, dass Veganer im großen und ganzen Industriedreck konsumieren. 

Hier ist der elementarste Fehler Ihres Textes. Fakt ist aber, dass die meisten Veganer genau das sind: bewusst konsumierende, genussvolle Menschen, mit Freude an guten Lebensmitteln. Die meisten Veganer achten sehr wohl auf Bio und Nachhaltigkeit.

Die Veganer, die Industrieessen ohne Bio-Siegel konsumieren, sind eine klare Ausnahme. Dies sind im eigentlichen auch keine Veganer. Wer einfach nur keine tierischen Produkte konsumiert ist ein Mensch, der eben keine tierischen Produkte konsumiert. Ein Veganer hat eine ethische, philosophische Grundsatzhaltung zu wirtschaftlichen Kreisläufen – und echte Veganer verurteilen solch Konsumverhalten zu recht ebenso sehr, wie direkten Fleischkonsum. Der Schaden ist ja vergleichbar. Deshalb wird ja Attila Hildmann auch angegriffen. Nicht, wie er denkt, weil man ihm seinen Erfolg missgönnt, sondern weil er ein selbstverliebter, sexistischer Gockel ist, der die Weltherrschaft anstrebt und diesen miesen, noch immer grassierenden Schönheitswahn vorantreibt, der so gut wie jedes Mädchen, so gut wie jede Frau bewusst oder unbewusst belastet. Das ist es eben, was dem Veganismus widerspricht und deshalb ist Hildmann auch kein Veganer, sondern ein Koch und Geschäftsmann.

Also halten wir bis hierhin fest:

  • Die meisten Veganer sind auch richtige Veganer und kaufen zumeist Bio und sogar oft noch hochwertigere Siegel, wie die von demeter z.B.

Eine Sojamilch, um dieses eine Beispiel zu nehmen, ist selbstverständlich ein gutes, natürliches, aber auch ein verarbeitetes Produkt. Dies ist aber jeder Käse, jeder Joghurt, jede Schokolade auch – egal ob Bio oder nicht. Ein Unternehmen wie Taifun Tofu versucht in Deutschland und Österreich viel Soja anzubauen und unterstützt bei den restlichen Einkäufen eine nachweislich gute Produktion in Südamerika. Eine Produktion, bei der die Regenwälder nicht vernichtet werden und die Arbeiter nicht in Chemie duschen. Mit dem Monokultur-Futtersoja hat dies also rein gar nichts zu schaffen.

Ich sah Bio-Bananenflächen, die als Monokultur zu bezeichnen sind, aber einen so gesunden Boden aufwiesen, das dort zwischen den Pflanzen Tiere liefen und Vögel nisteten. Der Boden war so gesund, das es dort kreuchte und fleuchte – mit einer Monokultur konventionellen Landwirtschaft hat auch das nichts zu schaffen.

Wir halten also fest:

  • Die meisten Veganer unterstützen eine bessere Landwirtschaft und eine Sojamilch, deren Anbau "Bio" ist, ist genauso wenig verarbeitet wie jeder Joghurt auch. Mit einer Cola hat das rein gar nichts zu tun – das ist billiger und leider dummer Populismus, Frau Wiener.

In ihrem ergänzendem Facebooktext erwähnen sie nun die Margarine, die stark verarbeiteten Wurstimitate und andere gefärbte Nahrungsmittel.

Ein Beispiel von heute morgen, unser Frühstück: Bei uns gab es gebratenes Tofu. Dieses legten wir auf Vollkornbrötchen. Dazu kamen regionale Gurken, Salat, Zwiebeln und Tomaten, letztere von etwas weiter weg. Dazu Senf von Zwergenwiese, Pfeffer, Salz, Olivenöl – alles Bio, alles nicht vom Discounter. Haben wir nun einfach nur Tofu gegessen, oder eine vollwertige Mahlzeit mit unterschiedlichen ökologischen Fußabdrücken? – Glauben Sie, glaubt irgend ein denkender Mensch, dass Veganer sich den ganzen Tag nur Industrieimitate reinpfeifen und keine „Beilagen“ verzehren? 

Im Gegenteil, zwischen Vollkornreis mit Dinkel und gebratenen Zucchini ist ein bisschen Lupinen-Gyros die Beilage, nicht die Hauptmahlzeit. – Und Frau Wiener, das wissen Sie auch selbst, also, was soll das?

In Ihrem Facebooktext gingen Sie nun noch darauf ein, dass wir ja Tiere für die Landwirtschaft benötigen, denn wo soll der Dünger herkommen. Da scheinen Sie nun wirklich nicht ganz informiert zu sein und vergessen, dass es selbstverständlich möglich ist, rein biovegan zu düngen – dies ist nur eine Option, die wirklich in der Landwirtschaft kaum eine Rolle spielt, da Tierdünger so viel billiger und verfügbarer ist. Nur die Option muss man schon richtiger Weise benennen.

Wir halten also fest:

  • Stark verarbeitete vegane Lebensmittel sind nicht weniger stark verarbeitet als Produkte, die Sie, Sarah Wiener, gut finden, wie Käse und Sahne z.B. – Des weiteren stellen diese einen Nahrungsbestandteil dar und keineswegs den Hauptbestandteil.

Als nächstes eine weitere absolute Falschaussage von Ihnen, Zitat ihres Facebook-Textes: »Um ausgewogen vegan zu leben, müssen wir uns die ganze Welt importieren, Algen, Soja, Quinoa und Nüsse sind nur einige Beispiele«.

Wieder einmal staune ich über Ihr Unwissen oder ihre Dreistigkeit – wobei letzteres schlimmer wäre.

Nüsse sind ein normales, Mitteleuropäisches Lebensmittel, dass sollten gerade sie wissen. Haselnuss und Walnuss wachsen hier ebenso wunderbar, wie Bohnen und Linsen. Selbst die Sojabohne gedeiht prächtig und wenn wir die Tiermast etwas reduzieren würden, hätten wir mehr als genügend Platz um ganz Deutschland mit eigen angepflanzten Pflanzen zu versorgen.

Aber selbst Importe sind nicht zwingend negativ. Dadurch, dass man durch faire Arbeitsbedingungen die armen Länder sozial stärkt, steigt auch dort das Umweltbewusstsein und trägt Früchte – wie metaphorisch.

Ihr geschätztes Bio-Fleisch hingegen, egal wie Bio es ist, hat allein durch den CO2-Ausstoß, wenn wir von Rind reden, so manches Importprodukt überflügelt. Selbst wenn wir annehmen, das Tier trank nur Regenwasser, wird allein durch den Schlachtvorgang Energie und Wasser verbraucht und bis dann irgendwann Ihr geliebter Bierschinken draus wird, haben wir was? – genau, ein energieverschwendetes, industrialisiertes Produkt. – Mit dem feinen Unterschied, dass dafür zusätzlich noch ein Tier starb.

Denn das vergessen Sie gern, bei all Ihrer Wertschätzung für das Tier: Es ist tot und kann sich für Ihre Wertschätzung keinen zusätzlichen Tag Leben kaufen.

Ihr Text in der „enorm“ und Ihr ergänzender Facebooktext lassen mich nun ratlos zurück: »Verkaufte sich Ihr letztes Buch nicht gut? Brauchen sie Publicity?«

»Sind sie letztendlich in Ihrer Wahrnehmung viel subjektiver und pseudonostalgischer als gedacht?«

In jeden Fall sind Sie sich nicht darüber bewusst welchen Bärendienst Sie Ihrer eigenen Sache machen, denn die ganzen Billigeinkäufer, die nur allzu gerne polemische Überschriften lesen, lesen und verstehen nur eine Überschrift, die da lautet: »Vegan und Bio ist so gut wie ne Coke« und beißen danach fröhlich, weil beruhigt, in ihre 1,99 Wurst von ALDI.

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