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Olympia in Hamburg – Ein demokratischer Akt

Wenn man unsere Demokratie angreift oder Worte wie Lügenpresse benutzt, begibt man sich schnell in eine Abseitsposition. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Die Stigmatisierung hat natürlich Prinzip, lassen sich so doch nur allzu leicht staatsuntreue Skeptiker mundtot machen. Wer also am lautesten gegen Begriffe wie Lügenpresse wettert, ist wahrscheinlich besonders wenig demokratisch.

Natürlich lassen sich da tagtäglich Beispiele nennen, aber aktuell gibt es ein besonders unangenehmes. Witzigerweise rede ich da nicht von so Kleinigkeiten, über die man vielleicht mal stolpern könnte, sondern um richtig kapitale Vergehen, bei denen man sich wundern muss, warum es keinen Aufschrei gibt – aber die Menschen lassen sich so einfach einlullen.

Gemeint ist die Volksbefragung zur Olympiade in Hamburg. Was für ein fairer, demokratischer Akt. Die Bevölkerung soll abstimmen. Wir leben wirklich in einem schönen, freien Land.

Zuallererst muss man nun einmal festhalten, dass Volksabstimmungen grundsätzlich toll sind. Dies ist aber seitens der Politik kein Geschenk, sondern sollte grundsätzlich Standard in einer Demokratie sein. Nicht für jede Kleinigkeit, aber wenn es um eine Fußballweltmeisterschaft oder eine Olympiade geht, also immense Belastungen für Land und Leute, die zuerst einmal wenig Positives mit sich ziehen, sollte eine Befragung schon selbstverständlich sein. Letztendlich vermeidet die Politik ja auch, sich in die Nesseln zu setzten, wenn das Projekt anders als gewünscht ausgeht – Volksbefragungen sollten generell mehr stattfinden. Aber nicht in unserer aktuellen Demokratie, wo der Bürger nicht die Expertise hat zu entscheiden. Für eine Entscheidung muss der Bürger grundsätzlich aufgeklärter und informierter sein. 

Schlimm und wenig demokratisch wird es aber, wenn eine Volksbefragung zu einer scheinheiligen Farce wird. Hamburg macht sich da lächerlich und keinem fällt es auf – wie blind sind wir Bürger?
Die Stadt will die Olympiade – dies ist ja auch ein zu akzeptierender Wunsch. Olaf Scholz darf seine Wünsche gern öffentlich aussprechen. Aber er darf nicht auf Kosten der Bürger eine Plakat- und Werbekampagne starten. Hamburgs Straßen sind mit großen, aufwändigen Plakaten tapeziert, auf denen unter dem Slogan „der einmaligen Chance“ für Olympia geworben wird.
Zuerst einmal ist diese Chance nicht einmalig, sondern kommt alle Jahre wieder. Zweitens ist es unerträglich, wenn öffentliche Gelder für Meinungsmache ausgeben werden, um die Bürger zu impfen. Jeder Bürger sollte Zugang zu Informationen haben und sich ein Bild machen können – aber gezielte, einseitige Werbekampagnen mit Geldern, die nicht für Flüchtlinge, Kindergärten oder Schulmodernisierungen ausgegeben werden, ist schlimmste Propaganda.

Nein, es geht noch schlimmer. Im Hausflur lag nun eine kostenlose Ausgabe der BILD. Auf der Titelseite thronten die Letter: „Moin Moin Olympia“. Unter dem Deckmantel einer kostenlosen Probezeitung instrumentalisiert sich die BILD zu einer Werbezeitschrift für Olympia. Entweder betreibt die BILD ihre übliche Gehirnwäsche oder wurde von Seiten der Stadt teuer eingekauft. Wenn, dann natürlich wieder mit Bürgergeld, das mal wieder an anderer Stelle fehlt. – Was hat es mit Demokratie zu tun, wenn die Stadt einen Bürgerentscheid ausspricht und dann teure Propaganda betreibt, indes aber nicht die kritischen Fragen aufrichtig behandelt? – Wieso ist der Begriff Lügenpresse so falsch, wenn eine Zeitung mit einer kostenfreien Auflage von fast einer Million die Bürger brainwasht und entgegen aller journalistischen Ehre einfach Pro-Olympia-Meinungsmache betreibt?

Wenn man sich auf der offiziellen Pro-Olympia-Seite umschaut, entdeckt man schnell die Partnerunternehmen der Werbekampagne. Natürlich der Axel-Springer-Verlag. Aber auch die Morgenpost, das Hamburger Abendblatt und Radio Hamburg.
Wer auf solch geballte Medienpower zurückgreift, kann natürlich frohen Mutes in einen Bürgerentscheid gehen. Ist das gerecht den Menschen gegenüber? – Hat das irgendetwas mit Demokratie und einem freien Bürgerentscheid zu schaffen?

Wer sind denn die unterstützenden Unternehmen der ganzen Sache:

Edeka, Deutsche Bank, Barclaycard (wie heißt nochmal das Stadion aktuell?), Haspa, Hanse Merkur und Vattenfall. Das klingt ja nach einem who is who der kapitalistischen Drecksunternehmen.
Leider findet sich auch unser geliebtes Budni darunter – eine echte Enttäuschung und hoffentlich eine Ausnahme.

Was sagt das alles über das Unternehmen Olympia aus? – Dass es sozial und fair zugeht, oder dass es ein raffgieriges, antihumanistisches Unterfangen ist ? ... – Erst einmal sagt das nichts aus, aber es lässt einen doch zumindest sehr skeptisch werden. Doch skeptische Stimmen findet man die Tage nicht so häufig. Im Radio nicht, in den Zeitungen auch nicht ... komisch ... ach ja, man sehe die Medienpartner. So gründen sich also kleine Initiativen, die aber natürlich kaum finanzielle Mittel haben, die Skepsis medientechnisch breit zu streuen.

Mich interessiert als Hamburger, ob die ganzen neuen Jobs nachhaltig sind und auf Zeitarbeit verzichtet wird. Mich interessiert, wie die Umweltbedingungen sein werden, mich interessiert, ob es externe Gutachten gibt, die die Langlebigkeit von den teuren neuen Stadtteilen und Institutionen objektiv bewerten. Was nutzt ein neuer Stadtteil, der zu einer überteuerten Geisterstadt wird und letztendlich kaum Gewinn macht?

Es heißt, Olympia sei ein Motor für Hamburg. Wieso sind die Kindergärten und Schulen kein Motor? – Wieso wird nicht vermehrt in Bildung und nachhaltige Unternehmen investiert?

Es ist heutzutage unmöglich Fördergelder für Existenzgründungen zu bekommen – die Banken sind geistig blockierter den je – aber ist der Mittelstand nicht eigentlich Motor und Seele eines Staates?

Und zuguterletzt muss ich persönlich auch sagen, sind sportliche Großwettbewerbe eine schlimme Last – stumpfe, dumme, kostspielige Projekte, um die kleinen Bürger zeitweise abzulenken. Klappt schon gut mit der Bundesliga und je mehr geistige Verwirrnis, desto besser. Olympia ist unwichtig, ist pure Verschwendung, ist kulturell simpelster Mainstream. Wir und kein anderes Land der Welt hat so etwas nötig. Genauso wenig wie Fußball oder Eishockey – es ist einfach so unglaublich nichtig. Ich zumindest möchte nicht mein Geld in so etwas investiert wissen – vor allem aber will ich nicht, dass unserer Gelder in eine Werbung investiert werden, die uns solch Projekte aufquatschen wollen.

Deutschland war noch nie demokratisch – und wird es wohl noch lange nicht sein.

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