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Erziehungsgeschirre – Impressionen aus New York

Im sonnigen Herbst durch New York City zu laufen war einerseits wunderschön - durchgehend über 20 Grad und Sonnenschein – andererseits, auch durch meinen Beruf begründet, eine Last und Zumutung 

 

Auch in Hamburg beobachte ich stets gespannt jedes Mensch-Hund-Gespann, das ich zu sehen bekomme, manchmal erfreut, oft frustriert - geht doch leider vieles daneben und müsste zum Hundewohl besser laufen. Die Tiere werden am Halsband hinter sich hergezerrt, am besten noch fahrradfahrenderweise, von interessierten Artgenossen grob weggezogen und auch an den so spannend riechenden Häufchen dürfen viele Hunde sich nicht ihre Informationen ziehen.

 

Aber was ich in meinen neun Tagen New York zu sehen bekam, übertraf diese Beobachtungen leider noch um ein vielfaches. Zum einen sind dort kupierte Ruten völlig normal und legal und daher oft zu sehen – den Hunden wird so ein sehr wichtiges Körperteil einfach wegoperiert. Kommunikation zu Artgenossen und Menschen so deutlich erschwert. Vom unnötigen Operationsrisiko mal abgesehen.

 

Die Hunde müssen in einer so überladenen Stadt gut mitlaufen können - das erwünschte Bei-Fuss wird leider meist durch schmerzerzeugende Geschirre und Würgehalsbänder herbeigeführt. Auch Stachelhalsbänder waren kein außergewöhnlicher Anblick – einmal gesehen an einem Weimaraner an der Leine eines älteren Herren. Herrchen entspannt, Hund hochgradig gestresst. Aber hat „funktioniert“.

 

Die Menschen in New York haben es eilig. Alle, die es nicht eilig haben, sind Touristen oder anderweitig fremdartig. Die Hunde - auf einen kommen 5,5 Menschen - müssen sich anpassen, mitlaufen, zurückstecken. Und anstatt mit ihnen den ordentlichen Leinengang zu trainieren, werden Maßnahmen ergriffen, die den Hund nicht dazu bringen, von selbst entspannt mit Herrchen und Frauchen zu gehen, sondern diese durch Gewalteinwirkung dazu praktisch zwingen. Eine Hundehalterin erklärte mir, die Hunde, die größer sind, können ohne solche Art Geschirr doch gar nicht gehalten werden, weil sie nun einmal zu stark seien. Auf die Idee des richtigen Leinentrainings kommen die New Yorker und ihre Hundetrainer offenbar deutlich seltener, als es hier der Fall ist. Wobei auch hier noch viel zu oft antiquierte Methoden angewandt werden.

 

Wenn wir uns nun einmal die verschiedenen sogenannten Erziehungsgeschirre anschauen, können wir bei jedem einzelnen die Schwachpunkte erkennen:

 

Das Easy Walk-Geschirr, welches direkt in den Achselhöhlen anliegt, schnürt dort natürlich ein.  Eine Polsterung habe ich nirgends sehen können. Also ein dauerhaft aversiver Reiz. Ein ständiges Nerven, sogar Schmerzen. Man stelle sich nur einmal vor, man müsse den ganzen Tag mit schlecht sitzenden Socken herumlaufen…wie sehr einen sowas schon stresst. Dazu wird das Easy Walk vorn mit der Leine verbunden, also vorm Brustkorb des Hundes.

An sich, dachte ich, eine schöne Idee - denn ein von vorn gesetztes Signal, wie eine vor den Brustkorb gehaltene Hand, sollte vom Hund besser verstanden werden, als ein solches, das von irgendwo dort hinten zieht. Aber dann kommen wir zur Praxis - wie im Video zu sehen, wird der Hund natürlich bei Zug nach vorn in eine Richtung umgelenkt, also nach links oder nach rechts. Je nach (Gefahren-)Situation muss also schnell reagiert werden, damit der Hund nicht auf die Fahrbahn, gegen die Wand oder in den nächsten Senioren reingesteuert wird. Für einen Dogwalker meiner Ansicht nach noch schwieriger, wenn er gleich mehrere so geführte Hunde an der Strippe hat.

Zweiter Nachteil: der Hund soll lernen, dass das Ziehen nichts bringt, er nicht weiterkommt. Das grundlegende Leinentraining des Erfolgs beim Lockerlassen kann so gar nicht erst erlangt werden. Denn: anstatt von selbst die Spannung zu nehmen, wird der Hund umgelenkt, bis die Spannung weg ist, dann wird weitergegangen - und was lernt der Hund nun daraus? Wenn ich locker lasse, geht es weiter, Entspannung gleich Erfolg? Nein, der Hund wird vielmehr verwirrt, weil etwas gänzlich anderes passiert, nämlich ein fremdeingeführter Richtungswechsel, womit dem Hund die Chance genommen wird, selbst eine Strategie zum Erfolg zu entwickeln. 

Und dazu kommt, dass die Hersteller und Vertreiber dieser Geschirre überall aufklären, dieses Geschirr sei nicht zum Dauergebrauch geeignet, sondern nur zum Trainieren…

 

 

Das nächste in New York entdeckte Geschirr ist geschnitten wie ein Norweger-Geschirr, allerdings verläuft es zusätzlich noch äußerst unbequem um die Vorderbeine herum - so dass bei Zug dem Hund diese nach hinten gezogen werden. Dass dies einen Negativ-Reiz darstellt, der Lernen unterdrückt, muss ich wohl kaum erwähnen. Diese Art Geschirr habe ich in den Straßen Manhattans überdurchschnittlich oft entdeckt. Und natürlich ebenso überdurchschnittlich oft gestresst aussehende Hunde und gleichgültige Halter.

 

Zuguterletzt die guten alten Würgehalsbänder. Auch diese sieht man in New York extrem häufig. Allerdings sieht man die Würgefunktion nicht auf den ersten Blick, weil sie anders verlaufen, als solche, die wir kennen.

 

Durch meine Recherche zurück in Deutschland fand ich übrigens heraus, dass es ersteres Geschirr, das Easy Walk, durchaus hier zu kaufen gibt, es ist nur anscheinend äußerst selten zu sehen. In all den Jahren ist es mir nie unter die Augen gekommen. 

 

 

Mein Fazit: man muss nicht nach Asien oder Südeuropa fahren, um zu erleben, wie den Hunden noch mehr Freiheiten und Lebensqualität genommen werden, als es hier in Deutschland schon so häufig der Fall ist. 

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Kommentare: 2
  • #1

    BewusstAnonym (Freitag, 17 November 2017 21:53)

    ...würde ich so gerne mal (wieder) etwas positives - ohne erzieherischem, negativem Unterton - von euch lesen und weiß ihr könnt das, aber leider kommen nur noch Texte in den mit Gewalt etwas erzwungen, nein korrigiere vermittelt werden will das auf eine andere Art evtl. sogar positiv aufgenommen werden könnte...
    Mit der Hammermethode kommt es nur anstrengend rüber und schafft es nicht mich (und andere das weiß ich) zu erreichen!

    Vielleicht mal wieder einen Gang, vielleicht sogar zwei zurückschalten, nicht jedem krampfhaft gegens Bein pissen wollen und auch einfach mal wieder was positives schreiben?

    Ich lese leider (!) nicht ein positives Wort aus New York, obwohl du doch auch Freunde gehabt haben musst oder hast du dir die stressige Reise nur angetan um negatives zu erleben?

  • #2

    FALCAT (Samstag, 18 November 2017 12:00)

    Hallo anonyme Person, vielen Dank für die Anregung,

    einen solch scharfen Ton hätten wir gern unter dem richtigen Namen entgegengenommen und beantwortet.

    Dieser kurze Blogtext hat genau ein Thema, nämlich die unfaire und der Entwicklung nicht förderliche Behandlung von Hunden durch sogenannte Hilfsmittel wie Erziehungsgeschirre. Es geht hier nicht um New York und auch nicht darum, ob ich Freude hatte. Es geht um das kritische Beleuchten von oben genanntem. Wir verstehen sogar, dass es Menschen ein schöneres Gefühl geben würde, wenn wir mit versöhnlichen Tönen abschließen a là "es gibt natürlich auch viele positive Beispiele..." usw., aber leider ist dies nicht der Fall gewesen. Diese positiven Eindrücke bzgl. der Hundebehandlung waren mehr als rar und leider keiner Erwähnung wert.

    Ein weiteres New York-Video ist in Arbeit und wird dann auch die schönen Seiten der Stadt beleuchten... dieser Text/Video behandelt ausschließlich das Hundethema. Ohnehin ist es viel mehr unser Fokus, Missstände und Kritik anzubringen, sei es eben bei Politik, Reisen, Hunden oder Gesellschaft.